Deutsche Demokratische Republik: Führungswechsel und Grenzöffnung

Deutsche Demokratische Republik: Führungswechsel und Grenzöffnung
Deutsche Demokratische Republik: Führungswechsel und Grenzöffnung
 
Nach dem Sturz Honeckers überschlugen sich die Ereignisse in der DDR. Egon Krenz, sein Nachfolger im Amt des Generalsekretärs der SED, wurde am 24. Oktober entgegen heftigen Protesten aus der Bevölkerung von der Volkskammer (bei 26 Nein-Stimmen) zum Staatsratsvorsitzenden gewählt. Er bemühte sich um einen neuen Führungsstil, indem er sich nach allen Seiten gesprächsbereit zeigte. Er kündigte als erste Reformmaßnahme Reiseerleichterungen an und warb bei der Bevölkerung um Vertrauen. Eine Amnestie für Flüchtlinge und Demonstranten wurde erlassen (27. Oktober) und ein Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der Polizei und Staatssicherheit wegen der Vorgänge am 7. Oktober eingeleitet. Ab 1. November wurde erneut der visafreie Reiseverkehr in die Tschechoslowakei eingeführt, wodurch die Zahl der Flüchtlinge wieder sprunghaft anstieg. Die Demonstrationen wurden in zahlreichen Städten fortgesetzt. In Ost-Berlin forderten am 4. November über eine halbe Million Menschen Reformen, freie Wahlen, Abschaffung des Machtmonopols der SED, Rechtsstaatlichkeit, Presse- und Meinungsfreiheit sowie Reisefreiheit. Deutlich kam zum Ausdruck, dass die SED-Führung ihre Glaubwürdigkeit verspielt hatte und man auch dem neuen Staatsratsvorsitzenden Krenz und der neuen Führung die Aufrichtigkeit ihres Sinneswandels nicht glaubte. Die Schriftstellerin Christa Wolf prägte für sie das Wort von den »Wendehälsen«. Am 7. November trat der Ministerrat mit seinem Vorsitzenden Willi Stoph zurück, am 8. November das gesamte Politbüro. Das Zentralkomitee wählte ein neues, auf elf (vorher 21) Mitglieder verkleinertes Politbüro (darunter der Dresdner Bezirkschef Hans Modrow) und bestätigte die Wahl von Egon Krenz zum Generalsekretär (siehe auch Deutsche Demokratische Republik: Massendemonstrationen und Honeckers Rücktritt). Modrow, der sich bereits seit längerem als reformbereiter Politiker zu erkennen gegeben hatte, entwickelte sich zum neuen Hoffnungsträger (siehe auch Deutschland: Kohls Zehn-Punkte-Plan zur künftigen Deutschlandpolitik). Am Abend des 9. November gab das Politbüromitglied Günter Schabowski auf einer Pressekonferenz völlig überraschend bekannt, dass alle DDR-Grenzstellen zur Bundesrepublik und nach West-Berlin geöffnet würden. Noch in derselben Nacht strömten viele Tausende von DDR-Bürgern bei Visapflicht, aber nachlässigen Kontrollen nach West-Berlin und in die grenznahen Städte der Bundesrepublik, wo es zu volksfestartigen Wiedersehensfeiern zwischen den Deutschen aus Ost und West kam. Schätzungsweise zwei Millionen DDR-Bürger statteten bis zum Sonntagabend (12. November) West-Berlin einen Besuch ab, eine weitere Million erprobte die neue Reisefreiheit mit Besuchen in bundesdeutschen Städten. Zur Bekräftigung der Reisefreiheit informierte das DDR-Verteidigungsministerium am 13. Dezember, dass mit sofortiger Wirkung alle Sperrzonen entlang der Berliner Mauer und der gesamten Grenze zur Bundesrepublik aufgehoben seien.

Universal-Lexikon. 2012.

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